Grippe-Saison 2022/2023 – aktuelle Informationen

Nachdem wir im vergangenen Jahr einen regelrechten Run auf unsere Praxis erlebten, ist die Nachfrage nach der Grippeschutzimpfung in diesem Jahr bisher noch relativ gering. Aber es ist schon relativ spät! Die ersten Influenza-Fälle sind bereits aufgetreten, und einigen Patienten ging es mit der neuen „Errungenschaft“ auch gar nicht gut. Also vielleicht doch noch mal über eine Schutzimpfung nachdenken …?

Unsere dringende Bitte daher an alle unsere Patienten: Es ist genügend Impfstoff vorhanden. Nutzen Sie bitte die Gelegenheit zur Grippe-Schutzimpfung!

Grippe: Nur jeder zweite Risikopatient ist geimpft

Noch immer scheuen viele Menschen die Grippeimpfung. Besonders gefährdet sind Schwangere, über 60-Jährige und chronisch Kranke, bei denen es zu sehr schweren Verläufen und Todesfällen kommen kann. Umso wichtiger ist es, dass der Hausarzt Risikopatienten aufklärt. Da die lnfluenzasaison auf der nördlichen Halbkugel üblicherweise erst Mitte Mai endet, lohnt sich auch eine späte Impfung.

Keine andere Infektionskrankheit ist weltweit für so viele Krankheitsfälle verantwortlich und fordert eine so große Zahl an Toten wie die Influenza (wenn wir mal die „Konkurrenz Renz“ Corona ausklammern). In der Grippe-Saison 2017/18 starben allein in Deutschland über 25.000 Menschen. Zu den berühmtesten Pandemien zählen die Asiatische Grippe im Jahr 1957, die Hongkong-Grippe im Jahr 1968, die Russische Grippe 1977/78 und im Jahr 2009 die Schweinegrippe.

Ein Grippeinfizierter ist schon mindestens einen Tag vor Beginn der ersten Krankheitszeichen hochansteckend. Kein Wunder also, dass die Influenzaviren in der überfüllten U-Bahn, im Theater oder in der Familie leichtes Spiel haben. Besonders gut gelingt die Übertragung der Erreger auf lnterkontinentalflügen. Die niedrige Luftfeuchtigkeit im Flieger lässt die Atemwegsepithelien (= Schleimhäute) austrocknen – beste Voraussetzungen für Passagiere im Umkreis von einem Meter, sich zu infizieren.

2018: ein B-Jahr

Das Jahr 2018 übertraf zahlenmäßig viele der bisherigen Aufzeichnungen zu Grippeinfektionen. In den Spitzenzeiten von Anfang Februar bis Anfang März wurden dem Robert Koch- Institut (RKI) jede Woche mehr als 60.000 Neuerkrankungen gemeldet. Da jedoch längst nicht jeder Erkrankte getestet wird, wird die tatsächliche Zahl auf mehr als 300.000 Menschen wöchentlich geschätzt – auf das Jahr 2018 hochgerechnet waren das insgesamt zwei Millionen Influenzafälle. Was diese Saison auszeichnete, war das Auftreten von Influenza B bei 70% der Infizierten. Es kommt selten vor, dass einer der beiden B-Virustypen so stark dominiert. Ausgerechnet im Jahr 2018, als die WHO-Empfehlung für den trivalenten Grippeimpfstoff neben den beiden A- Typen die B-Variante Viktoria enthielt, kam es zu einer Epidemie mit dem B-Typ Yamagata. Kein Wunder also, dass in diesem Jahr auch viele geimpftepage1image4148896

Personen erkrankten. Einer solchen Impfschlappe soll nun der quadrivalente (4- fach) Impfstoff entgegenwirken. Er beinhaltet neben den beiden Influenza-A-Varianten H1N1 und H3N2 die beiden B-Typen Yamagata und Viktoria. Im Jahr 2019 dominierte wieder die Influenza A, meist mit dem Subtyp H1N1, und die Zahl der Erkrankungen pendelte sich auf das alljährlich übliche Maß ein.

Vor allem Schwangere zögern mit der Grippeimpfung

Noch immer werden die vom RKI gewünschten Impfraten bei weitem nicht erreicht. Nur jeder Zweite aus den Personengruppen, denen die STIKO zur jährlichen Impfung rät, folgt denEmpfehlungen. Besonders zurückhaltend sind Schwangere, obwohl sie aufgrund immunologischer Veränderungen in dieserpage2image3673552

Bei Schwangeren droht ein schwerer Verlauf – sie sollten sich impfen lassen

Zeit ein besonders hohes Risiko für einen schweren Verlauf haben. Dabei würde sich der Impfschutz bei ihnen doppelt lohnen, denn dieplazenta-gängigen (= in den kindlichen Körper übergehend) Antikörper schützen gleichzeitig auch das Neugeborene.

Atemwegsinfekte • Schwerpunkt

Die Impfung mit dem neuen 4-fach-Impfstoff wird zudem allen Personen ab 60 Jahren und Bewohnern von Alters- und Pflegeheimen empfohlen, sowie Menschen, in deren Haushalt Personen mit besonderen Risiken wie Dialysepflicht oder Immunschwäche leben. Außerdem sollten sich Personen impfen lassen, die ein hohes Infektionsrisiko haben, wie medizinisches Personal, Menschen, die in Einrichtungen mit viel Publikumsverkehr tätig sind und solche, die direkten Kontakt zu Geflügel und Wildvögeln haben. Bei Kindern und Jugendlichen zwischen 2 und 17 Jahren und bei Bedenken gegen eine Injektion kann der attenuierte Influenza-Lebendimpfstoff (LAIV) als Nasenspray verabreicht werden.

Herz und Lunge in Gefahr

Bei viralen Atemwegsinfektionen ist die Gefahr für kardiovaskuläre Erkrankungen besonders groß. So ist das Myokardinfarktrisiko (= Herzinfarkt) einer aktuellen Studie zufolge in den ersten sieben Tagen einer Influenzainfektion sechsmal höher als bei Nichtinfizierten. Besonders wichtig ist deshalb, dass Patienten laufende Therapien wie etwa eine medikamentösepage2image3673968 kardiovaskuläre Prävention (=vorbeugende Maßnahmen bei Herz-Kreislauf-Krankheiten), insbesondere mit Azetylsalizylsäure (ASS), während einer Influenzaerkrankung nicht abbrechen. In besonderer Weise kann eine Infektion mit Influenza B das Herz schädigen, da diese Viren Herzmuskel- zellen direkt infiltrieren können. Selbst bei zuvor vollkommen gesunden jungen Menschen und Kindern kann es zu schweren akuten Kardiomyopathien (= Herzmuskelschäden) kommen.

Verschlechtert sich die respiratorische (= Atemwege) Situation nach anfäng-licher Besserung des klinischen Bildes erneut und steigen die Infektparameter (= Entzündungswerte) deutlich an, muss an eine Superinfektion gedacht werden. Die ausgeprägte Schädigung des Epithels (= oberflächliche Schicht der Schleimhaut) erleichtert die Invasion anderer Erreger. Hauptkandidaten für eine Sekundärinfektion sind Pneumokokken und verschiedene Staphylokokken-Arten. Eine bakterielle Superinfektion tritt i. d. R. zwischen Tag 5 und 7 auf.

Aktuell wird von der STIKO für Personen ab 60 Jahren die Pneumokokkenimpfung mit dem 23-valenten PolysaccharidImpfstoff (PPSV23) mit eventueller Wiederholungsimpfung nach mindestens sechs Jahren empfohlen. Für Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit Immundefekten oder Immunsuppression oder sonstigen chronischen Krankheiten gelten gesonderte Vorschriften.

Artikel verändert nach Dr. Chrisine Starostzik, Zeitschrift 1-2 • 2020 CME 23

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