Wer die Diagnose „unspezifischer Rückenschmerz“ bekommt, hat ein Problem. Er erfährt die Ursache seiner Beschwerden nie, denn die Beschwerden sind nicht morphologisch, durch organische Veränderungen bedingt.
Bei einem sehr grossen Teil unserer Patienten (etwa 75% aller Schmerzen des unteren Rückens) müssen wir leider die Diagnose „unspezifischer Rückenschmerz“ stellen, weil die Ursache weniger in „Abnutzungserscheinungen“ liegt, sondern ihre Ursachen eher in sogenannten Muskelverspannungen („Weichteilrheuma“ im Volksmund) zu suchen sind. Durch diese Muskelverspannungen entsteht kräftemäßig ein Ungleichgewicht zwischen gegensätzlich arbeitenden Muskeln. Dadurch kommt es zu teilweisen Überlastungen der Muskeln, die diesem Zug oder Druck „nichts dagegen halten“ können. Sie müssen sich ständig anspannen, werden schlechter durchblutet und kommen in einen Sauerstoffmangel. Die Folge ist eine Stoffwechselumstellung und die Bildung saurer Stoffwechselprodukte. Es kommt zum Muskelschmerz, den als normale Reaktion auf stärkere Belastungen jeder kennt: Muskelkater.
Bleibt dem Muskel aber zwischendurch keine Zeit, sich wieder zu entspannen, normalisiert sich auch der Stoffwechsel nicht, und der Muskelschmerz bleibt oder verschlechtert sich weiter.
Ein zweiter Punkt, der nun eine Rolle spielt, ist, dass durch das Muskelungleichgewicht auf Gelenke und Bänder ein unphysiologischer Zug ausgeübt wird, so dass es zur „Verschiebung“ in einzelnen Gelenken kommen kann. Diese Verschiebungen sind in der Regel minimal, aber die Folgen in Bezug auf Schmerzempfinden und Funktion der Gelenke sind teilweise gravierend. Der Volksmund bezeichnet diesen Zustand als „ausgerenkt“, der Fachmann nennt es richtiger Blockierungen.
Bei der manuellen Diagnostik tastet der Arzt den Patienten ab und fühlt, ob Wirbelgelenke, Muskulatur und Gewebe in Ordnung sind und zum Beispiel nichts hart oder verspannt ist. So lässt sich feststellen, ob etwa das Gelenkspiel gestört ist. Normalerweise hat jedes Gelenk einen gewissen Bewegungsrahmen. Gibt es dagegen einen harten Anschlag, sprechen wir von einer Blockierung. Der Patient nimmt oft gar keine Bewegungseinschränkung war. Was er spürt, ist der Schmerzkreis, der sich um die Blockierung bildet. Oft verspannt die Muskulatur – ein Zeichen, dass im Körper etwas nicht stimmt, er zum Beispiel einseitig be- oder überlastet wird.
Dass in diesen Fällen trotzdem oft auf bildgebende Verfahren gesetzt wird – sowohl vom Mediziner als auch vom Patienten gefordert – ist ein Phänomen, das generell in der Medizin gilt, aber besonders dann, wenn es um Gelenke, Knochen und Muskeln geht. Oft findet man mit der Röntgen-Technik etwas, das völlig irrelevant ist und keine Auswirkungen auf den Körper hat. Trotzdem wird es behandelt. Dabei fällt die eigentliche Ursache unter den Tisch. Sie liegt eben oft in der Muskulatur, die nicht gut funktioniert, weil sie zu schwach oder im Ungleichgewicht ist. Jungen Menschen geht es fast immer gut, sie sind fit und leistungsfähig. Werden wir älter, wird unsere Muskulatur schwächer, wenn wir nicht trainieren.
Beim Muskel-Aufbau-Training (zum Beispiel Kieser-Training) geben Funktionstests und die wissenschaftlich fundierte Rückenanalyse Auskunft über die Beweglichkeit der Wirbelsäule und Kraftdefizite der tiefen Rückenstrecker. Die Rückenstrecker sind es ja, die unsere Wirbelsäule maßgeblich stabilisieren.
Durch das Muskelkorsett werden Wirbelkörper, Gelenke und Bandscheiben entlastet. Und eine starke Muskulatur schützt uns vor irreversiblen Schäden beispielsweise am Knorpel. Im Training lösen sich viele Blockierungen und Verspannungen. Die Patienten gewinnen meist an Stabilität und Balance, dann tritt so eine Blockierung oder Muskelverspannung im Idealfall gar nicht mehr auf. Lösen sich die Blockierungen nicht, kann die manuelle Medizin helfen. Dabei wird sanft mit Druck und Zug gearbeitet. Ziel ist es, durch Mobilisation das Gelenkspiel wiederherzustellen und damit die Blockierung zu lösen oder die Muskulatur durch bewusstes An- und Entspannen zu lockern. Am besten ist es natürlich, gar nicht erst zu warten, bis man Probleme bekommt, sondern schon vorher zu trainieren. Um sich die Gesundheit zu erhalten, kommt niemand um Krafttraining herum.