Krafttraining im Alter?

Muskelaufbautraining ist in jedem Alter wichtig

Prof. Dr. Dr. Jürgen Gießing
Leiter des Instituts für Sportwissenschaft an der Universität Koblenz-Landau

Warum sollten Menschen höheren Semesters Krafttraining machen?

Muskelaufbautraining ist in jedem Alter wichtig. Aber ganz besonders in höherem Alter. Wenn man nicht trainiert, verliert man im Alter Muskel- und Knochenmasse. Dieser Muskelmassenverlust liegt bei Menschen, die nicht trainieren, zwischen ein bis zu drei Prozent pro Jahr. Das gibt eine ganze Reihe von Problemen, die den Alltag, aber auch die Gesundheit betreffen.

Welche sind das?

Ganz plakativ: Alltagsaktivitäten fallen zunehmend schwer: Einkaufstüten schleppen, Treppen steigen, Aufstehen, etc. Gleichzeitig steigt das Sturzrisiko. Zudem ist unsere Muskelmasse unser größtes Organ und damit eins der wichtigsten. Es produziert Hormone und hormonähnliche Botenstoffe, die für die Funktion unserer Organe essenziell sind. Auch die Körperzusammensetzung verändert sich ohne Training negativ. Wenn ich nicht trainiere, habe ich auf der einen Seite viel weniger Muskelmasse als in jüngeren Jahren. Gleichzeitig baue ich Fettmasse auf. Das geschieht erst einmal unbemerkt, denn das Gewicht verändert sich möglicherweise nicht. Esse ich gleich viel wie zuvor, nehme ich unweigerlich zu.

Was kann ich konkret tun?

Dieser körperliche Verfall lässt sich durch Krafttraining nicht nur aufhalten, sondern sogar umkehren. Das bestätigt noch einmal eine Studie, die wir 2017 durchgeführt haben. 60 bis 80-jährige Teilnehmer und Teilnehmerinnen haben ein halbes Jahr lang ein hochintensives Muskeltraining absolviert. Die Probanden konnten den Muskelmassenverlust nicht nur stoppen, sondern sogar Muskelmasse aufbauen und ihre Kraft enorm verbessern. Obwohl sie am Schluss der Studie ein halbes Jahr älter waren, hat sich die Körperzusammensetzung verbessert und sie waren besser in Form. Die Teilnehmer verbesserten sich bei allen gemessenen Alltagsaktivitäten. Ob Treppensteigen, Aufstehen, Einkauftüten tragen, die Belastungen fielen den Probanden nach einem halben Jahr deutlich leichter. Und nicht zuletzt hat sich auch das Wohlbefinden deutlich verbessert. Einige unserer Studienteilnehmer hatten sogar einen Zugewinn an Knochenmasse – etwas, was man in dem Alter früher für unmöglich hielt. Will man die Knochendichte erhöhen, muss man allerdings mehrere Jahre trainieren und am besten nicht mehr aufhören. Die Muskelmasse hat das Zeug, uns bestmöglich vor typischen Alterserscheinungen zu schützen. Stichwort Diabetes.

Ist da nicht die Ernährung ausschlaggebend?

Auch, aber nicht nur. Wir haben im Körper zwei Orte, in denen wir Kohlenhydrate einlagern können: die Leber und die Muskulatur. Die Speicherkapazität der Leber ist begrenzt. Ein deutlich größerer Speicher ist die Muskulatur. Verliere ich Muskelmasse, kann ich weniger Glykogen einlagern. Das hat zur Folge, dass der Körper mehr Insulin ausstoßen muss, um den Blutzuckerspiegel nach Mahlzeiten zu regulieren. Menschen mit mehr Muskelmasse haben eine viel höhere Insulinsensibilität und schonen damit ihre Bauchspeicheldrüse. Die jüngsten wissenschaftlichen Ergebnisse deuten darauf hin, dass man mit dem Aufbau von Muskelmasse sehr gut etwas gegen Diabetes Mellitus-Typ 2 tun kann.

Spricht also vieles für Krafttraining …

Fakt ist: ein älterer Mensch, der sich gut ernährt und regelmäßig Krafttraining macht, kann die Körperzusammensetzung eines jungen Menschen und damit eine starke Basis für eine gute Gesundheit haben. Krafttraining ist die beste Anti-Aging-Maßnahme.