Ernährung

 

 

Es gibt wahrscheinlich kaum ein anderes Thema, worüber so viel Sinnvolles wie Unsinniges in den letzten Jahren geschrieben, gesprochen, gefilmt oder „getalk-showd“ wurde, wie unsere Ernährung. Im engen Zusammenhang damit stehen natürlich auch die hunderte oder gar tausende von Diäten, fleißig promoted von diversen Illustrierten, Wochenzeitschriften, Gesundheitsmagazinen und Internet-Blogs. Alle versprechen die Traumfigur in wenigen Tagen oder Wochen, manche sogar über Nacht, auf jeden Fall aber totsicher und garantiert ohne Anstrengung. Komplettiert werden diese fantastischen Angebote von einer Unzahl von Nahrungsergänzungsmitteln und natürlich auch den „ultimativen Schlankmachern“. Und – am wichtigsten dabei: garantiert unschädlich, pflanzlich, hochwirksam und 100%ig wirksam, das einzige und neueste Mittel dieser Art am Markt, möglicherweise nach Jahrtausenden wiederentdeckt und bereits vor tausenden von Jahren von den Inkas angewendet, dazu leistungs- und potenzsteigernd …

Sie sehen, so ganz ernst kann man das alles schon gar nicht mehr nehmen. Und trotzdem boomt diese Industrie, unterstützt von diversen „qualitativ hochwertigen“ Fernsehsendungen, die uns tagtäglich demonstrieren, wie der schöne Mensch auszusehen hat und mit welchen Patentrezepten dieses oder jenes Ziel zu erreichen ist.

Erstaunlich ist, wie unkritisch viele dieser Informationen von vielen von uns „verarbeitet“ werden, wo doch der Zugang zu qualifizierten Informationen heute dank Internet völlig unkompliziert und für jeden möglich ist. Und mit ein klein wenig Recherche findet man sogar gute wissenschaftlich begründete Beiträge, in denen man vielleicht beim ersten Durchlesen nicht alles versteht, aber bei denen 50% Verständnis immer noch ein deutliches Plus sind im Vergleich zu manch anderem Beitrag.

Wie also sollte unsere Ernährung aussehen?

Wer jetzt den Anfang eines Kochbuches erwartet, sollte aufhören zu lesen. Es gibt nicht die einzige richtige Ernährung! Aber es gibt mittlerweile genügend ernährungswissenschaftlich, medizinisch und molekularbiologisch gesicherte Erkenntnisse über unseren Stoffwechsel und damit über eine sinnvolle Ernährung, gewisse „Diät-Regimes“ und sinnvolle Bewegung.

Die einfachste und älteste heute noch aktuelle Ernährungsempfehlung ist wohl die Ernährungspyramide, die laut Wikipedia vom Bundeszentrum für Ernährung (BZfE) entwickelt wurde, allerdings bereits in den 70er Jahren auch schon in der DDR bekannt war.   

Die Ernährungspyramide ist ein einfaches und alltagstaugliches System, mit dem jeder sein Ernährungsverhalten prüfen und optimieren kann – ganz ohne Kalorienzählen. Mit anschaulichen Symbolen, selbsterklärenden Ampelfarben und die Unterteilung der Pyramidenebenen in Portionsbausteine bietet das Modell eine klare Orientierung im Alltag. Die Ernährungspyramide gibt den äußeren Rahmen vor, der nach eigenem Geschmack, individuellen Gewohnheiten und unterschiedlichem Energiebedarf gefüllt werden kann. Ihr größter Vorteil ist dabei ihre Vielseitigkeit. Denn durch den einfachen Aufbau eignet sie sich für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen genauso wie für die Beratung von Erwachsenen: Jeder Baustein der Pyramide steht für eine Portion und das Maß für eine Portion kann die eigene Hand sein. Die Portionen wachsen also ebenfalls mit und das Modell berücksichtigt so, dass sich der Nährstoffbedarf mit dem Alter ändert: Kleine Kinder, kleine Hände – große „Kinder“, große Hände.

Harald Seitz, BZfE

Ernährungspyramide als App

Was esse ich? Wer sein Essverhalten verbessern möchte, kommt um diese Frage nicht herum. Die App „Was ich esse“ hilft dabei, einmal genauer unter die Lupe zu nehmen, was den Tag über auf dem Teller landete – und auch wie viel. Mit der App kann alles, was am Tag gegessen und getrunken wurde, „eingecheckt“ werden. Die Einsortierung der Lebensmittel in die Ernährungspyramide erfolgt automatisch. Inklusive Erinnerungsfunktion, Wochenübersicht, individuellen Zieleingaben und Teilungsfunktion über facebook und twitter. Mehr über die App erfahren Sie im Beitrag .„App: Was esse ich“

play.google.com
Die Ernährungspyramide als App im App-Store von Google-Play für Smartphones mit Android-Betriebssystem.

itunes.apple.com
Die Ernährungspyramide als App im App-Store von Apple für Ihr iPhone.

Praktisch alles, was es heute an seriösen Ernährungsempfehlungen, Diätvorschlägen und anderen gutgemeinten Tips gibt, basiert letzten Endes auf diesen Grundsätzen, ganz gleich, ob es zusätzlich mit Attributen wie „Low carb“, „Paleo“, „Low fat“ oder was auch immer versehen wird.

Wesentlich vielversprechender dagegen sind Betrachtungsweisen, die unsere entwicklungsgeschichtlichen Voraussetzungen berücksichtigen und die ver-suchen, die insbesondere in den letzten Jahrzehnten fehlentwickelten Ernäh-rung- und Lebensgewohnheiten zu verändern und unseren natürlichen Rhythmus von Nahrungsaufnahme und Bewegung anzugleichen (Von den Anlagen her sind wir immer noch Jäger und Sammler, auch wenn das etwas stark vereinfacht ist.)

Auf diesen Erkenntnissen beruhen dann auch aktuelle Ernährungsempfehlungen und Diätregimes. Es war eben in der Urgesellschaft nicht üblich, größere Mengen Kohlenhydrate zu essen (Getreide u.ä. kam erst mit dem Ackerbau in verstärktem Maße auf unseren Speiseplan). Und es war auch durchaus nicht normal, täglich Fleisch oder Fisch auf dem Speisezettel zu haben. Das musste gejagt oder gefangen werden, und Glück hatte man nicht alle Tage. Und es war nicht einmal normal, jeden Tag ausreichend zu essen zu haben, geschweige denn regelmäßige Mahlzeiten einzunehmen. Dafür musste man sich bewegen, den ganzen lieben langen Tag Nahrung suchen und vor Feinden auf der Hut sein. Und trotz aller Bemühungen blieb die Belohnung oftmals aus und man musste mit knurrendem Magen schlafen gehen.

Aktuelle Lösungsansätze versuchen, diesen Umständen zumindest ein klein wenig gerecht zu werden, indem auf den viel zu hohen Verzehr von Fleisch und Wurstwaren und Kohlenhydraten hingewiesen wird. Man versucht auch – und hier sind vor allem Elternhaus und Bildungseinrichtungen gefragt – zuneh-mend klarzustellen, welche negativen Einflüsse Fertignahrungen und andere industrielle Produkte auf unsere Gesundheit haben. Leider bestehen hier noch gewaltige Defizite, auch von Seiten der Politik. Denn – machen wir uns nichts vor – gesunde Ernährung ist (leider) deutlich teurer als ungesunde, und – wo „Öko“ oder „Bio“ drauf steht, muss das nicht auch wirklich drin sein. Leider. Es lohnt sich also durchaus, hier ein paar kritische Blicke auf das Kleingedruckte und die Nährstofftabellen zu werfen.

Ernährungswissenschaftler und auch Allergologen wissen es schon lange und erklären die in den neuen Bundesländern seit 1989 rasant angestiegenen Allergien zum Teil damit: Nicht nur der extrem hohe Verbrauch an Kohlenhydraten kommt als Ursache in Frage, auch der unphysiologische Verzehr „nicht zeitgerechter“ Nahrungsmittel ist schuld. Es ist eben nicht normal für unseren Körper, mitten im Winter frische Erdbeeren zu essen. Die chinesische Medizin weiß das seit tausenden von Jahren. Hier ist jeder Jahreszeit nicht nur eine Farbe und ein Element zugeordnet, sondern auch eine Geschmacksrichtung. Der Winter, zum Beispiel, hat die Geschmacks-richtung „sauer“ (Eingelegtes, Konserviertes). Heute haben wir alles ganz-jährig, auch konservierte Lebensmittel, allerdings leider industriell und mit reichlich Zusatzstoffen, die unseren Stoffwechsel durchaus nicht glücklich machen, und die zu allem Überfluss in aller Regel dazu noch reichlich Zucker enthalten.

Der Ausweg sind frische Lebensmittel ohne Mengen an Konservierungsstof-fen, möglichst naturbelassen und schonend zubereitet, deutlich weniger Kohlenhydrate und wenn, dann möglichst ballaststoffreiche (Vollkorn)Produkte und sparsamerer Umgang mit Fleisch und Fleischprodukten, vor allem, wenn sie vom Schwein stammen. Wild, Geflügel, Rind, Kalb oder Lamm sind hier gute Alternativen. Vom Handel müsste die Forderung nach qualitativ hochwertigem (See)Fisch deutlich stärker beachtet werden. Das Angebot an Milch und Milchprodukten ebenso wie Sojaprodukte hat sich in letzter Zeit bereits deutlich gebessert.

Ein Wort noch zu Diäten. Generell sind sie bei vernünftiger Ernährung und aus-reichend Bewegung entbehrlich. Völlig ungeeignet ist aus unserer Sicht alles, was dem entgegen läuft, egal ob das Kartoffel-Ei-Diät, Null-Diät, Eiweiß-Diät oder sonst wie heißt. Eine gute Diät, sofern man dieses Wort denn überhaupt benutzen muß oder will, sollte darauf abzielen, die Eß- und Lebensgewohn-heiten dauerhaft positiv zu beeinflussen und zu verändern. In allen anderen Fällen kommt es zum bekannten Jo-Jo-Effekt, sobald man seine „Diät“ been-det und wieder zum gewohnten Essen übergeht.

Crash-Diäten sind in extremen Ausnahmefällen, wo es auf rasche Gewichts-reduktion ankommt, vorübergehend sinnvoll und unter ärztlicher Aufsicht zu vertreten, aber um eine Änderung der Lebensgewohnheiten kommt man auch hier nicht herum.

Eine gewisse Sonderstellung nimmt hier das sogenannte Intervallfasten oder Flexifasten ein. Die Bezeichnung ist insofern irreführend, als es sich nicht um einen Nahrungsentzug wie beim Fasten in bestimmten Religionen handelt. Hintergrund ist vielmehr der Gedanke, das eingangs erwähnte urzeitliche, genetisch verankerte Vermögen unseres Körpers, in Zeiten reichlichen Nahrungsangebotes „aus den Vollen zu schöpfen“ und während Hungerszeiten in eine Art Sparmodus zu schalten, in dem angesammelte Reserven verbraucht und darüber hinaus in den Zellen „herumliegende Abfallprodukte“ zusätzlich abgebaut und somit der Energiegewinnung zugeführt werden.